Fischer. K., Battegay, E., Holzer, B.M. (2018). Multimorbidität und Polypharmazie und der Einfluss auf die Ernährung. Eidgenössische Ernährungskommission EEK, Ernährung im Alter. Ein Expertenbericht der EEK. Bern

Fischer. K., Battegay, E., Holzer, B.M.

Multimorbidität (das gleichzeitige Vorliegen zweier oder mehrerer Langzeiterkrankungen) und die oftmals damit einhergehende Polypharmazie (Einnahme von fünf und mehr Medikamenten) sind u.a. aufgrund ihrer Interaktionen mit Ernährungsfaktoren eine Herausforderung, insbesondere für die bedarfsgerechte Ernährung und Nährstoffversorgung von älteren Menschen. Trotz der weitgehend noch fehlenden Evidenz zum Einfluss von Polypharmazie auf den Ernährungsstatus im Alter sollten allgemeine Ernährungsempfehlungen, wie eine optimale Protein- und Energiezufuhr, eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr sowie eine allfällige Supplementierung von Nährstoffen, basierend auf dem vorhandenen Wissen individuell auf die aktuelle Krankheitssituation und Medikamenteneinnahme hin angepasst werden. Noch gezielter könnte der Ernährungsstatus älterer multimorbider Menschen durch eine ausführliche Ernährungs- und Medikamentenanamnese im Rahmen eines geriatrischen Assessments optimiert werden. Hierbei ginge es auch darum, das individuelle Risiko für Interaktionen zwischen Medikamenten und Ernährungsfaktoren zu identifizieren. Um dies zu ermöglichen, sollte das Assessment möglichst innerhalb eines festgelegten Untersuchungsprogramms von einem interdisziplinären Team aus Ärzten, Pharmakologen, Ernährungswissenschaftlern bzw. -beratern und bedarfsweise anderen Fachpersonen durchgeführt werden. Allgemein sollte bei älteren Menschen eher zurückhaltend mit Medikamentenverschreibungen umgegangen werden, insbesondere was die Wahl von neuen Arzneimitteln betrifft. Hierzu gibt es bereits einige unterstützende Werkzeuge und Massnahmen, wie z.B. die PRISCUS-Liste, START/STOPP-Kriterien, die «start low, go slow»-Dosierung, die Berücksichtigung pharmakogenetischer Varianten in Enzymen des Arzneistoffmetabolismus, sowie ein elektronischer Medikamentencheck, z.B. durch Nutzung neuartiger Interaktionsdatenbanken, um mögliche Interaktionen zwischen Medikamenten und Ernährungsfaktoren zu evaluieren. Zu einer umfassenden Patientenaufklärung gehört je nach Krankheitsbild aber auch die Besprechung risikoreicher und fehlerhafter Ernährungsgewohnheiten, vor allem in Hinblick auf die Medikamentenwirkung und deren zugrundeliegendes Interaktionspotential. Um den Ernährungs- und Gesundheitsstatus älterer Menschen nicht nachteilig durch die zusätzliche Medikamenteneinnahme zu beeinträchtigen, sollte es daher letztlich das Ziel sein, im Rahmen von interdisziplinären Teams Strategien zu entwickeln, wie der Einsatz von Medikamenten zukünftig sinnvoll limitiert, Interaktionen zwischen Medikamenten und Ernährungsfaktoren berücksichtigt und Ernährungsinterventionen durchgeführt werden können.

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